In Zeiten von Personalknappheit und Fachkräftemangel erleben sogenannte Recruiting-Videos einen Boom. Mit Hilfe dieser Filme wollen sich Unternehmen als attraktive Arbeitgeber präsentieren. Bei der Produktion solcher Videos sind einige Firmen über das Ziel hinausgeschossen – und haben vor allem Spott geerntet. Es geht dabei um Filme, die den Stempel “Jugendkultur” tragen, aber in Wirklichkeit am Lebensgefühl der Zielgruppe vorbeigeschrammt sind. Da wurde ein Rap auf die eigene Firma gedichtet, gestelzte Dialoge zwischen Jugendlichen gescriptet oder das Unternehmen zum Tanzen und Singen gebracht – und das auf peinliche Art und Weise. So ist das manchmal, wenn Unternehmen besonders cool erscheinen wollen.
Authentizität und Glaubhaftigkeit
Gerade die jugendlichen Zielgruppen haben ein Gespür dafür, wenn sie mit plumpen und unglaubhaften Methoden geködert werden sollen. Eine andere Art von Recruiting-Videos ist zwar weniger spektakulär, aber authentisch. Gemeint sind Produktionen, in denen echte Mitarbeiter eines Unternehmens die Hauptrolle spielen. Das ist immer ein Risiko, denn die Protagonisten sind Menschen, die so etwas noch nie gemacht haben. Unbedingt erforderlich sind Vorgespräche, bei denen es darum geht, wie der Dreh ablaufen soll und was von ihnen erwartet wird. Nicht zuletzt sollte ein Regisseur in solch einem Gespräch versuchen, den Laiendarstellern die Angst zu nehmen. Natürlich ist ein Treffen vor den Dreharbeiten gleichzeitig ein kleines Casting, um zu entscheiden, ob ein Kandidat wirklich für den Job geeignet ist.
Laien als Hauptdarsteller
Solche Videos habe ich für die Firma Smurfit Kappa produziert. Die Aufgabe war, Recruiting-Videos herzustellen, die Jugendliche ansprechen. Darüber hinaus sollte auch kurz kommuniziert werden, was das Unternehmen eigentlich macht, denn in der Öffentlichkeit ist der größte Wellpappen-Hersteller Europas wenig bekannt, weil er nur im B2B-Bereich aktiv ist. Nach der Analyse des Marktes und der Zielgruppen ist ein Konzept für die Videos entstanden, das folgende Elemente enthält:
- Ein kurzer, schnell geschnittener Clip, der erklärt, was und wie in diesem Unternehmen produziert wird
- Interviews mit echten Auszubildenden in den jeweiligen Berufen, die zum Inhalt haben, welche Vorteile solch eine Ausbildung bietet. Die Auszubildenden erzählen über ihre eigenen Erfahrungen und dienen als Identifikationsfiguren für die Zielgruppen
- Bilder von der täglichen Arbeit der Auszubildenden, die zur Illustration und Verstärkung der Interview-Töne dienen sollen
- Am Schluss der Videos werden die URLs und Telefonnummern der jeweiligen Niederlassungen eingeblendet. Das ist sinnvoll, denn beim Aufruf der Videos über einen QR-Code (z.B. auf YouTube) werden keine Zusatzinformationen angeboten
Insgesamt wurden drei Videos und drei Intros für die einzelnen Niederlassungen produziert, also 9 Filme. Hier ist einer davon:
Nach meinen Erfahrungen lohnt es sich, mit echten Auszubildenden statt mit professionellen Schauspielern zu arbeiten. Auch wenn es manchmal viel Mühe und Geduld erfordert, sind die Interviews authentisch und aufrichtig. In diesen Videos ist nichts gescriptet, das heißt, die Auszubildenden hatten keine Vorgaben darüber, was sie sagen sollen und was nicht. Auf diese Weise sind Aussagen entstanden, die Verantwortliche des Unternehmens nicht erwartet hätten. So heben die Auszubildenden als Vorteil einer Ausbildung “viel Geld verdienen” heraus und nicht etwa den Umweltschutz-Aspekt. Nach einigen Diskussionen im Unternehmen wurde entschieden, diese Aussagen nicht aus den Videos zu entfernen, denn die Auszubildenden bilden eine Zielgruppe ab, die wahrscheinlich die gleichen Prioritäten setzt.
Grundsätzlich erfordern solche Video-Produktionen eine gewisse Toleranz gegenüber den kommunizierten Inhalten. Was als Resultat übrig bleibt, ist ein Kompromiss zwischen gewollten Marketing-Inhalten eines Unternehmens und den authentischen Aussagen der Mitarbeiter. Wenn eine Firma das zulässt, stärkt das ingesamt ihre Glaubwürdigkeit.
Mehr zum Thema “Recruiting-Videos” und anderen Genres von Marketingfilmen erfahren Sie in meinem Buch, das am 05.07.2013 erscheint.