Die Mythen über Video-Marketing

Schon seit einiger Zeit überzieht ein regelrechter Video-Hype das Internet. So genannte Experten prognostizieren den Online-Videos einen ungebremsten Siegeszug durch das weltweite Netz. Gerade im Marketing-Bereich sei das Potential von Videos bei weitem noch nicht ausgeschöpft und die Budgets von Unternehmen würden in diesem Bereich in ungeahnte Höhen schießen. Liest man Artikel oder Blog-Einträge zum Thema Video-Marketing, hat man das Gefühl, das sich leere und ungeprüfte Schlagworte wie ein Lauffeuer im Internet ausbreiten. Es geht dabei um Videos als Wunderwaffen, um von Suchmaschinen gefunden zu werden und passende Anleitungen dazu, wie Jedermann auf einfache Art und Weise ein eigenes Video produzieren kann. Die These: Wenn Du irgendwelche zappelnden Bilder anbietest, bist Du bei Google ganz vorne. Und beliebt sind auch Behauptungen, die auf jedes Video zutreffen sollen.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte

Na, klar, diese Aussage hat einen wahren Kern. Aber kommt es nicht auf das Bild an und die Botschaft, die es vermitteln soll? Es gibt sie, die Bilder, die mehr als tausend Worte sagen, in der Kunst, in der Pressefotografie und auch in der Werbung. Aber häufig ist es auch ein einziger Satz, der mehr sagt als tausend Bilder.

Eine Flut von Videos bricht über uns herein und wir müssen zusehen, dass wir nicht darin ertrinken. Das Medium hat es nicht verdient, für jeden Zweck in Anspruch genommen zu werden, nur weil Suchmaschinen zumindest aktuell Videos bevorzugen und weil sich mit Werbung bei YouTube der ein oder andere Euro verdienen lässt. Wenn diese Entwicklung weiter fortschreitet, können Videos ihre Kraft und ihre Faszination schnell einbüßen. Wenn ich fünf Videos anklicke, die mich langweilen oder sogar nerven, schaue ich mir das sechste schon gar nicht mehr an, obwohl es vielleicht eine Perle ist. Heute sind die bewegten Bilder im World Wide Web noch relativ neu und das grundsätzliche Interesse der User ist noch vorhanden. Aber wie sieht es in 20 Jahren aus? Sind Videos dann eine wirkliche Massenware, die keinen Hund mehr vor dem Ofen hervorlockt, oder hat sich dann die Spreu vom Weizen getrennt? Von dieser Entwicklung hängt ab, ob ein Bild mehr sagt als tausend Worte.

Videos sind emotional

Dass Videos emotional sind gehört zu den Standardbehauptungen, wenn es um Marketing oder Kommunikation mit bewegten Bildern geht. Es gibt sie tatsächlich, die emotionalen Videos. Aber schauen Sie sich Marketing-Videos bei YouTube unter einschlägigen Suchwörtern an und beurteilen Sie, ob diese Filme alle emotional sind. Ist es das Imagevideo von Firma x, die Ansprache von Coach y oder das Interview mit Freiberufler z? In der Regel nicht.

Also, Videos sind nicht per se emotional. Sie können es sein, genauso wie Texte und Bilder. Aber müssen sie unbedingt emotional sein, um gute Marketing-Instrumente zu sein? Nein, das müssen sie nicht, denn es gibt für Zielgruppen noch viele weitere Gründe, um sich ein Video anzuschauen.

Videos fördern den Verkauf

Entspricht es der Wahrheit, dass Videos z.B. in Online-Shops den Verkauf von Produkten fördern? Das ist in einigen Branchen und bei einigen Produkten sicher so, aber wenn die These auf ganzer Linie stimmen sollte, warum gibt es dann mittlerweile nicht für alle angebotenen Produkte und Dienstleistungen ein Begleitvideo? In der Marketing-Branche sorgte schon im Jahr 2008 eine Untersuchung des Berliner Medienberatungs- und Forschungsunternehmens Goldmedia für Aufsehen. Danach sollte sich mit Hilfe von Produktvideos der Umsatz deutscher Online-Shops bis 2012 um fast die Hälfte steigern lassen. Goldmedia ging davon aus, dass bis 2012 ca. 30 Prozent aller Online-Shops Produktvideos zeigen und damit die Konversionsrate um 20 Prozent steige. Es lässt sich mit Zahlen nicht belegen, aber diese Prognosen haben sich nicht bewahrheitet.

Immer noch sind Videos in Online-Shops eher die Ausnahme. Warum setzt z.B. der Branchen-Primus Amazon keine Videos zur Verkaufsförderung ein? Der lässt sich doch bestimmt keine Gewinne entgehen und wird gute Gründe haben, auf Videos zu verzichten. Es ist zum einen ein Rechenexempel, wie hoch die Umsatzsteigerung sein muss, damit sich die Produktionskosten für begleitende Videos überhaupt lohnen. Und zum anderen stellt sich bei allen Produkten oder Dienstleistungen die Frage, ob ein Video einem potentiellen Kunden irgendeinen Mehrwert bietet. Die Behauptung, Videos würden den Verkauf fördern, lässt sich pauschal nicht belegen und stimmt nur bedingt.

Fazit

Videos können wunderbare Träger für Marketing-Botschaften sein. Dafür müssen sie aber einige Voraussetzungen erfüllen. Nur wenn sie zielgerichtet und professionell konzipiert und hergestellt werden, nur wenn eine gute Idee dahinter steckt, kann das Medium seine volle Kraft entfalten – auch für das Marketing.

 

Bild: Christiane Fengler_pixelio.de.

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